Hannah Breitfuß, Cäcilia Brown , Fabian Fink, Helmut Heiss, Anna Hofbauer, Katrin Hornek, Miriam Jesacher, Martin Martinsen, Noële Ody, Daniel Ramirez-Turecek, Eva Seiler, Stephan Uggowitzer Initiiert von Cäcilia Brown und Fabian Fink
Hier rücken die Objekte in die Nähe des Fetischs, der sich im Sammeln, zur Schau stellen und auch Besitzen wollen äußert. Insgesamt zeigt sich der Kontext Gruppenausstellung beim Hotel Ananas als Spielwiese der Skulptur, wenn die Künstler- Innen mit großer Unbefangenheit Kunst und Alltag mischen sowie narrative Fäden auswerfen, ohne diese bis zum Schluss weiterzu-verfolgen. Nicht das Streben nach dem perfekten Endprodukt bestimmt die Atmosphäre der Ausstellung, sondern ein heteoge- nes Zusammenspiel unterschiedlichster Objekte und räumlicher Konstellationen.
Neben Metall, das bei der Markise im neu bestimmte Eingang der Galerie oder auch den höhenverstellbaren Beinen der Bar zusehen ist, bauten die KünstlerInnen etwa auch eine massive Holzkonstruktion, die sich als Nasenschild in den Stadtraum ausfahren lässt. Ausgestattet mit einem dekorativ drapierten Plastikrohr und einem Trichter, der anstatt leuchtendes Neon nur Regenwasser in das Rohr leitet, nimmt das Schild auf die mögliche Unsichtbarkeit der Galerie und das Neonverbot in der Altstadt Bezug.Während manche Objekte wie etwa zwei Küchenkastentüren aus den 1960er Jahren in ihrer Materialität einfach „pur“ in den Ausstellungsraum transferiert wurden und nun als Schwingtüren in Western- Manier den Weg zu einer bisher nicht vom Ausstellungsraum aus zugänglichen Toilette freimachen, wurden andere Objekte in Feinarbeit vor Ort hergestellt. Stößt man in einem Durchgang auf ein geometrisches Fliesenmosaik in Pastellfarben warten im nächsten Raum scheinbar nützliche Hand- läufe nach Ö-Norm auf, die aus einer großen Menge Bienenwachs gefertigt wurde. Das Motiv des Brunnens am Hauptplatz wird im Atrium durch einen mit Luftschlangen behängten Ständer aus Beton und Holz sowie ein wellenförmig geformtes Objekt aus Bettlaken über Hasendrahtgitter assoziiert. Bei der Definition der unterschiedlichen Skulpturen als auch der Materialwahl fällt auf, wie sehr diese mit dem Alltag und dem Alltäglichen verknüpft sind.
Die erste augenscheinliche Einführung in eine Ausstellung ist ihr Titel. „Hotel Ananas“ ist am Plakat beim Hauseingang der Galerie 5020 zu lesen, welches ebenso im Stiegenhaus angebracht die BesucherInnen auch gleich in den ersten Stock leitet. Der Eingang zum Hotel Ananas befindet sich jedoch nicht bei der regulären Eingangstür der Galerie sondern gegenüber wie ein Schild verrät. Die Räume der Galerie zeigen sich nicht deckungsgleich mit der Ausstellung Hotel Ananas; bereits im Stiegenhaus wird der Blick auf besondere Objekte gelenkt. An einer verschlossenen Tür hängt ein „Bitte nicht stören“ Schild des Hotels Goldner Hirsch, beim ausgewiesenen Hoteleingang eine metallene Markise mit aufgehängtem Handtuch samt Hirschmotiv und an der Tür eine Klingel. Das Hotel wird als Metapher benützt, um sich mit der „banalen“ Dingwelt künstlerisch Auseinander-zusetzen und sich interventionistisch in den Räumen der Galerie niederzulassen. Doch welche Objekte waren schon hier? Welche Dinge dienen womöglich nur als Requisite? Und welche Objekte wurden von den KünstlerInnen als Skulpturen geschaffen wie es der Einladungstext verspricht? Eindeutige Zeigegesten wie etwa Schilder oder eine Werkliste, die verraten, dass genau jenes Objekt Kunst ist, fehlen. Mit der Offenheit vieles als Skulptur anzuerkennen, die durch das Setting des Ausstellungsraums noch verstärkt wird, wird deutlich, dass zahlreiche alltägliche Objekte bereits von sich aus skulpturale Qualitäten aufweisen.
Zu Beginn der Ausstellung blickt man noch in der Straße auf das Plakat der Ausstellung und sieht dicht gedrängt junge Menschen in einer Telefonzelle mit Ananasmasken am Kopf. Im Ausstellungsraum findet man diese Masken wieder, doch anstatt auf einem hervorgehobenen Podest werden die Masken hier mit einer beiläufigen Geste in einer Ecke abgelegt. Auf diese Weise scheint ihre Position auch mehr als Zwischenablage zu fungieren, bereit für weitere Nutzungen. Ein anderes Kunstwerk, bei welchem der Zusammenhang mit dem Alltag der KünstlerInnen außer Frage steht, ist der Hosenläufer. Er besteht aus zwölf langen Hosen, welche die Künstler- Innen für diese Skulptur „gespendet“ haben. Auseinandergeschnitten, wieder zusammengenäht, in eine einheitliche Form gebracht und vor allem mit einer neuen Farbigkeit versehen, werden die Kleider der KünstlerInnen zu einem mit eindeutigen Konnotationen versehenem Objekt, dem roten Teppich. Als Verbindung zwischen zwei Räumen der Galerie dringt dieser in die Lebenswelt der BesucherInnen ein, indem er ihnen die Rolle des großen Auftritts verschafft beziehungsweise diese den roten Teppich zumindest betreten müssen, um dem Ausstellungsverlauf zu folgen. Ein Bruch mit dem imaginierten Glanz und Glamour stellen wiederum die Armseligkeit des Materials und die drei kleinen aus den Hosen-taschen hervorragenden Püppchen dar, die buchstäblich mit den Füßen getreten werden können.
Auch die KünstlerInnen arbeiten mit dieser nicht vorhandenen Eindeutigkeit, indem sie unterschiedliche skulpturale Ausformu-lierungen zwischen Perfektion und Beiläufigkeit offerieren. Manche Objekte scheinen auf den ersten Blick weitaus mehr das Etikett Kunst zu tragen als andere oder spielen vielleicht auch nur mit den Vorstellungen und Erwartungen der Besucher*. Manche Dinge zeigen sich als klar ausformulierte Kunstinstallationen wie die Salzsäule mit der darüber tröpfelnden Tequila- flasche, andere mehr als Kunst- oder Designobjekte wie der rosafarbene Baiserluster. Die neu hinzugefügte Rampe, die das Atrium mit den Ausstellungsräumen verbindet, erscheint als nahezu unsichtbare räumliche Intervention, während der auf- gestellte Wischmob in einem Kübel mit Beton als temporäre Zimmerpflanze fungiert und als humorvolle Fußnote eines breiten Skulpturenverständnisses gelesen werden kann. Dass selbst Gebrauchspuren und Zerstörungen Gegenstand einer Artefakt-analyse sein können, verdeutlichen die in einer Ecke abgestellten Reste einer Modellbahn samt kleinem Kamerafahrzeug oder die fragile Glasarbeit „Palenque“, die nur mehr als Installationsansicht existiert. So vielseitig die Möglichkeiten das Genre Skulptur zu denken, so facettenreich sind auch die verwendeten Materialien in der Ausstellung.
ARTEFAKTE SPRECHEN LASSEN
Hotel Ananas ist eine Ausstellung, deren Ausgangspunkt und konzeptuelle Rahmung das gemeinsame Schaffen von Skulpturen ist. Und Skulpturen sind, jenseits einer kunsttheoretischen Betrachtung, zuerst einfach einmal Objekte. Dieser Text geht den Versuch ein, sich der Ausstellung über ihre materielle Ebene zu nähern und möchte im Sinne einer Kulturanalyse die Objekte sprechen lassen. Unter „sprechen lassen“ meine ich, die Objekte als ernsthafte Quelle anzusehen,die mir – anders als es die KünstlerInnen etwa in Gesprächen tun würden – Auskunft über deren Geschichte, Gestaltung und Nutzung geben. Diese Objekte sind in diesem Sinne sichtbare Spuren von Prozessen oder auch anders gesagt Artefakte. Nach einer soziologischen Definition von Ulrike Froschauer sind Artefakte: „Produkte von sinngebenden Tätigkeiten und fungieren gleichzeitig als sinngenerierende Mitteilungen, die als soziales Gedächtnis in vergegenständlichter Form Entscheidungen der Organisation transportieren“. Doch was bedeutet dies konkret für eine Ausstellung wie Hotel Ananas? Wenn Artefakte Produkte von sinngebenden Tätigkeiten sind, so spiegeln die Objekte im Hotel Ananas jenen Entstehungsprozess der Ausstellung wider, bei dem sich sich KünstlerInnen eine Zeit lang auf den gemeinsamen Weg machten, um Gedanken in Objekte zu „übersetzen“. Wenn Artefakte sinngenerierende Mitteilungen sind, so richten sich die Objekte in der Ausstellung an eine Öffentlichkeit, sie kommunizieren über ihre Präsenz und aktivieren eine Bedeutungsproduktion bei den BetrachterInnen. Wenn Artefakte als soziales Gedächtnis Entscheidungen der Organisation transportieren, so zeigen die Objekte in der Ausstellung in ihrer finalen Form sowie als Zusammenspiel im Raum, wie die KünstlerInnen, im Rahmen der vorhandenen Ressourcen und Möglichkeiten, ihre Ausstellung aussehen lassen wollten.